Text: SONJA KROLL
Der hotteste Style, den wir begeistert aus der Krise mitnehmen, dürfte wohl der Trend zu Functional Wear sein. Die funktionale Bekleidung hat sich in den vergangenen 16 Monaten als mehr als praktisch erwiesen. In nichts lässt es sich schöner zu Hause relaxen, als in lockeren Jogging-Pants und bequemen Sweat- und T-Shirts. Schließlich ist man in der Sportswear immer noch “angezogener” als im Lieblingspyjama (nur für den Fall, dass doch jemand mal an der Haustür klingelt…) Die Sportswear von ehedem ist mittlerweile bereits zur “Athleisure” veredelt worden. Ebenso wurde die schnöde Arbeitsbekleidung als “Utility Wear” salonfähig. Das alles klingt schon mal besser als das dröge deutsche Wort “Freizeitkleidung”.
Und so lässt sich mit Utility Wear der lässige, bequeme Style des Arbeitsalltags in die High Fashion-Sphäre tragen. Functional Wear ahmt ebenso nicht mehr nur den Look von Sport- und Arbeitskleidung nach, sondern versucht tatsächlich, zwei Zwecke zu erfüllen - Kleidung, in der man sportlich-utilitaristisch aussieht, aber auch sportlich und aktiv sein kann. Der alte Ansatz, sich immer so anzuziehen, wie die geplante Veranstaltung oder Tätigkeit es erfordert, wird überflüssig. Schließlich ist Zeit immer knapp, und wer ins Fitnessstudio geht, will vorher vielleicht auch noch einen Kaffee mit der Freundin trinken, sich aber nicht umziehen müssen. Functional Wear ist also eine echte Zeitersparnis, könnte man sagen.
Möglich wird das alles durch bequeme Hi-Tech-Textilien, die nicht nur problemlos waschbar sind und dank Luft- und Wasserdurchlässigkeit dafür sorgen, dass man auch beim Schwitzen immer noch hochmodisch wie aus dem Ei gepellt aussieht. Die entsprechenden Designelemente wie praktische Verschlüsse oder leicht erreichbaren Taschen setzen auf die Funktion noch die ästhetische Form drauf. Entscheidend ist jedoch, dass Functional Wear bequem und praktisch im täglichen Gebrauch ist. Athleisure und Functional Wear haben es damit in die Kollektionen der Designer geschafft. Welche Labels man jetzt kennen muss, verraten wir euch in diesem Beitrag.
Stone Island
Das italienische Luxuslabel Stone Island ist geradezu Paradebeispiel für eine Marke, die den Sprung von Sportbekleidung zu High Fashion geschafft hat. Seit seiner Gründung immer führend an der Forschung zu neuen Fasern und Textilien beteiligt, hat sich das Label mit innovativen Designs und Styles, die sich ihre Inspiration oft bei Uniformen abgucken, als Go-To für urbane, lässige Basics etabliert. Das Label schreckt dabei nicht davor zurück, auch mit ungewöhnlichen Stoffen zu experimentieren. Lastwagenplane als Jackenstoff? Bei Stone Island schon seit den 80er Jahren ein Thema, denn Innovation ist in der DNA dieser Luxusmarke fest verankert. Man denke nur an die ultrareflektierenden Jacken oder Stone Islands Einsatz von Stoffen mit wärmeempfindlicher Flüssigkristallbeschichtung.
Utility als Style zeigt sich in den funktionalen Designelementen der Stone Island-Pieces. Verklebte Nähte erinnern an Surfanzüge; das in der FW20202-Kollektion von Stone Islands Shadow Project vorgestellte Pass-Through-Enclosure-System von Stone Island griff den Cargo-Stil auf, indem Taschen mit Klebebändern an der Oberbekleidung befestigt werden. Und selbst das Logo von Stone Island hat irgendwie Functional Wear-Charakter - die Windrose als Symbol fürs Segeln, Reisen und alles Maritime. Wer sich also von Militär- und Functional Wear-Looks inspiriert fühlt, liegt bei Stone Island von Kopf bis Fuß richtig.
Moncler Radlerhose mit Logo-Print
Moncler
Während die meisten Leute bei Functional Wear an den Winterurlaub mit Schnee und Ski denken, ist der Trend jedoch auch im Sommer relevant. Klar, falls du eine Everest-Expedition planst, ist Moncler der König der Jacken. Das 1952 gegründete Label kann aber noch mehr, trotz oder gerade wegen seiner Expertise in Sachen Mountaineering-Ausstattung. Denn was für Hochleistungsbekleidung für Bergsteiger oder Skifahrer gilt, hat Moncler auch in seinen Ready-to-wear-Kollektionen umgesetzt - verwendet werden die besten Materialien, von superfein gewebtem japanischem Nylon, bis hin zu weißer Gänsedaune aus nachhaltiger Produktion.
Seiner farbenfrohen Ästhetik bleibt Moncler dabei auch im Sommer treu. Glänzende Outerwear-Stoffe kommen nicht nur bei Jacken, sondern auch bei Hosen zum Einsatz - und machen Lust auf Segeltörns und verwehte Spaziergänge am Strand, ganz egal, wie das Wetter gerade aussieht. Mit Kapuzen und Tunnelzugbündchen am Hosenbein ist Moncler nicht nur Utility-kompatibel, sondern einfach cool in seiner Hinwendung zum Outdoor-Style. Und dank ständig wechselnder Kooperationen im Rahmen seines “Genius” Projekts verwöhnt uns Moncler mittlerweile nicht mehr nur mit vier Kollektionen pro Jahr, sondern veröffentlicht seine neuesten Pieces Monat für Monat!
Raeburn
Der Slogan des Modehauses Raeburn lautet “Changing the world through responsible design”, denn Namensgeber und Gründer Christopher Raeburn liegt verantwortungsvolles und nachhaltiges Modedesign am Herzen. Im Hause Raeburn heißt das dann “Raemade”, ein auf Nachhaltigkeit ausgerichteter Ethos, der seinen Ursprung in Christopher Raeburns Liebe für utilitaristische Kleidung und Materialien sowie den Military-Stil hat. Von Anfang an schuf Christopher Raeburn so aus überschüssigen Stoffen, Materialien und Kleidungsstücken aus Armeebeständen unverwechselbare und funktionale Pieces.
Der Nachhaltigkeitsgedanke setzt sich fort in dem Bemühen Raeburns, Abfall bei der Modeherstellung zu vermeiden und nur nachhaltig produzierte Materialien einzusetzen. Recycling bereits vorhandener Materialien und die Nutzung grüner Technologien sind bei Raeburn ebenso selbstverständlich. Von Feldjacken aus Wolle bis hin zu Fallschirmkappen aus Nylon bestehen die Raeburn-Raemade-Pieces aus dekonstruierten Originalstücken, die in ihren Einzelelementen überarbeitet und wieder zusammengesetzt werden. Das gibt den Kleidungsstücken nicht nur einen einzigartigen utilitaristischen Style, sondern ist praktizierte Nachhaltigkeit. Nicht nur deswegen dürfte Christopher Raeburn den Fashion Award 2020 mehr als verdient haben.
North Sails x Prada Leichte ’36th America’s Cup’ Jacke
Prada
Utility Wear und High Fashion - geht das? Das geht! Prada liefert den Beweis. Über Hintergrund und Geschichte des ikonischen italienischen Labels muss nichts mehr gesagt werden. Für Utility und Functional Wear ist die Luxusmarke allerdings bisher nicht unbedingt bekannt gewesen. Anlässlich des 36. America’s Cup - der alle vier Jahre unter den besten Seglern der Welt ausgefochten wird - kooperierte Prada 2021 jedoch mit dem Hersteller von Segeln und Segelkleidung, North Sails. Herausgekommen ist eine Kollektion, die Funktionalität und Nachhaltigkeit mühelos unter einen Hut bringt. Wasserabweisende Jacken aus recycelten Kunstfasern mit hohen Kragen, Känguruhtaschen und Klettverschlussärmeln halten an Bord trocken und warm - und sehen auf der Straße trotzdem nicht nach Segeljacke aus.
Während sich North Sails den Schutz der Weltmeere auf die Flagge geschrieben hat, verfolgt auch Prada Bemühungen, nicht nur die eigene Produktion, sondern die Herstellung innerhalb der Mode insgesamt auf Nachhaltigkeitskurs zu bringen. Nachhaltigkeit ist ein Kernelement der Identität der Prada-Gruppe und mehr als nur moralische Verpflichtung. Entscheidender ist für das Unternehmen, mit eigenen Maßnahmen Veränderungen und Fortschritte nicht nur für Prada, sondern die Gesellschaft insgesamt anzustoßen. Alles gute Gründe, in Utility Wear von Prada zu investieren.
GmbH
Zu den progressivsten Labels unserer Zeit gehört zweifellos auch die Berliner Modeschmiede GmbH. Das noch junge Label von Serhat Isik und Benjamin Alexander Huseby verkörpert die großen Themen der Gegenwart - Diversity und Nachhaltigkeit. Als Nachkommen von Immigranten setzen Isik und Huseby mit ihren fast durchgängig nicht-weißen Runway-Models ein deutliches Zeichen. Nachhaltigkeit charakterisiert die Produktion von GmbH: Die Kollektionen werden fast ausschließlich aus organischen, re- oder upgecycelten und biologisch abbaubaren Materialien hergestellt. Und das in fairer Produktion, am liebsten ganz nah an ihrem Headquarter in Berlin, um Produktionswege zu verkürzen.
Der funktionale Aspekt von Kleidung findet sich deutlich in den Kollektionen von GmbH wieder. Reißverschlüsse sind nicht nur Hingucker, sondern auch funktional, ähnlich wie die eingearbeiteten Blöcke aus Mesh-Material. Und insbesondere die Details wie Gurte und Harnesses geben den GmbH-Pieces immer wieder ein Utility-Feel. Dass dieser urbane Look mit Materialien geschaffen wird, die Isik und Huseby aus der Überproduktion der Luxusmodeherstellung abgreifen, macht ihn nicht nur wegweisend, sondern bewundernswert. Bei Farfetch wurden deshalb fast alle Pieces von GmbH als “Positively Conscious” ausgezeichnet.
Kurz und gut: Vor allem nachhaltig produzierende Macher von Functional Wear und Utility Wear werden uns auf jeden Fall auch in Zukunft noch begleiten. Denn funktionale Kleidung mit High-Fashion-Optik ist nicht nur die Antwort der Modebranche auf den Ruf nach Authentizität, sondern spiegelt die Lebensrealität der “urban nomads” wider, die Styles lieben, die für jeden Anlass und zu jeder Tageszeit geeignet ist. Praktisch und lässig.
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