mode und stilikonenDienstag, 24. Januar 2017

Im Fokus: The Antwerp Six

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Um gleich zu Anfang mit einem beliebten Mythos um die „Antwerp Six“ aufzuräumen: Martin Margiela war nicht dabei, auch wenn er unter dem Stichwort „The 6+“ doch irgendwie dazu gehört. Als seine Kommilitonen Walter van Beirendonck, Ann Demeulemeester, Dries van Noten, Dirk van Saene, Dirk Bikkembergs und Marina Yee sich 1986 auf den Weg nach London machten, arbeitete er bereits in Paris für Jean-Paul Gaultier.

Die Geschichte der sechs Designer, die ihre Kollektionen in einen Lkw packten, um vom verschlafenen Antwerpen aus die Modewelt zu erobern, ist legendär. So bauen heute die Karrieren von A.F. Vandevorst, Veronique Branquinho und Peter Pilotto auf die Vorarbeit der „Antwerp 6“ auf.

Selbst nannten sich die Absolventen der Königlichen Akademie für Schöne Künste Antwerpen allerdings nie die „Antwerp Six“ – diesen Titel verlieh ihnen die Presse. Modekritikerin Suzy Menkes erkannte als eine der ersten, dass diese Sechs den 90ern ihren modischen Stempel aufdrücken würden.

Aus Antwerpen in die Welt

Mit einem Mal war die Modeschule des kleinen Landes auf dem Radar der Modeszene aufgetaucht. Ann Demeulemeesters Stil mit den asymmetrischen, körperfernen Designs sollte sich in den 90ern durchsetzen. Das Label steht für klare Schnittführung und legere Anleihen bei klassischer Herrenmode in poetischem Schwarz. Die fließenden Silhouetten scheinen sich lagenweise in der Auflösung zu befinden und vermitteln eine kühle, sinnliche Eleganz.

Auch Dries van Noten betreibt sein Unternehmen von Antwerpen aus und verbindet hochwertiges Schneiderhandwerk mit farbigen Drucken und drapierten Formen zu seinen charakteristischen, exotisch anmutenden Designs. Seine Ästhetik könnte sich von jener eines Walter van Beirendonck kaum stärker unterscheiden. Der Designer hinter dem Label mit den schrillen Farben und Prints voller künstlerischer und popkultureller Referenzen arbeitet auch in der Selbstdarstellung gerne mal mit provozierenden Details. Nebenbei prägt er seit 2006 als Leiter der Antwerpener Modeabteilung das Schicksal vielversprechender Nachwuchsdesigner.

Um die drei anderen der „Antwerp Six“ geht es merklich ruhiger zu, doch man weiß sich zu schätzen: Zum 50. Jubiläum der Akademie bildeten sie die Jury der Abschlussmodenschau. Dirk von Saene, der im vierten Studienjahr an der Antwerpener Modeakademie unterrichtet und eine Ausstellung über Coco Chanel kuratierte, betreibt eine Boutique. Hier verkauft er auch eigene Designs in begrenzter Stückzahl, ohne sich auf einen verbindlichen Stil festzulegen.

Das Label des gebürtigen Deutschen Dirk Bikkembergs steht exemplarisch für „Sports Couture“ und ist als einziges nicht mehr in Antwerpen ansässig. Es wird von der Modemetropole Mailand aus geführt.

Marina Yee hat mit Bikkembers an Projekten zusammengearbeitet und wie Saene auch als Kuratorin gearbeitet. Das Rampenlicht der Modeszene scheut sie jedoch. In ihrem Atelier verarbeitet sie Versatz aus alter Kleidung zu Einzelstücken, um einen kritischen Ausdruck zum ewigen Konsumzyklus der Mode zu finden.

Visionäre Unterstützung

Ihren Erfolg haben die sechs Nachwuchsdesigner auch dem Unternehmergeist von Linda Loppa zu verdanken, die den Bereich für Mode der Akademie seit 1985 leitet und die plötzliche Aufmerksamkeit der Presse zu nutzen wusste. Sie ist auch selber als Modeschöpferin tätig und vertrieb ihr eigenes Label. Außerdem verkauft sie in ihrer Boutique die Mode von Jean-Paul Gaultier, Helmut Lang und Claude Montana. In ihrer Person verbinden sich die künstlerische und die kaufmännische Vision, und so unterstützte sie ab 1991 das Vertriebsteam des noch jungen Labels Dries van Noten. Loppa war eine Mitgründerin des Flämischen Mode-Instituts und des MoMu Mode-Museums Antwerpen. Außerdem war sie es, die van Beirendonck als Dozent an die Akademie holte.

Erfolgreich in mehreren Generationen

Auch Raf Simons’ Karriere funktionierte zwar ohne Modedesignstudium, nicht aber ohne Linda Loppa. Nach einem Praktikum bei van Beirendonck gründete der Industriedesigner mit ihrer Ermutigung sein eigenes Label und schaffte es über eine Zwischenstation bei Jil Sander schließlich bis an die Spitze des Hauses Dior. Für seine eigene Marke unterhält er noch immer ein Atelier in Antwerpen.

Die Legende der Antwerp Six und ihre Protagonisten haben dafür gesorgt, dass die kleine Stadt Antwerpen in einem Atemzug mit Paris, London, New York und Mailand genannt werden darf. Anfang der 1980er war es noch sehr unwahrscheinlich, dass so einmal internationale Talente wie der Kolumbianer Haider Ackermann in Flandern studieren und anschließend ein erfolgreiches Label mit Ateliers in Paris und Antwerpen führen würden. Auch Bernhard Willhelm, dessen verspielte und sportliche Ästhetik popkulturelle Bezüge ohne Wimpernzucken mit Schwarzwald-Trachten zu verbinden mag, wäre ohne den Einfluss seines Dozenten van Beirendonck kaum denkbar. 

Wie haben sie das bloß gemacht?

Zwar gingen die „Antwerp Six“ mit ihrer Idee an einen Ort, an dem wirtschaftlich und modisch schon einiges passierte, aber sie waren sich ihrer Wurzeln und Stärken bewusst: Die Handwerkstradition und Infrastruktur in Antwerpen wurde systematisch gefördert.

 Abgesehen von dem Glück, mit Linda Loppa eine begnadete Netzwerkerin an ihrer Seite gehabt zu haben, war es auch eine gesunde Mischung aus Naivität, Ehrgeiz und Eigensinn, die den sechs Modetalenten zum dauerhaften Erfolg verhalf: Zwar traten sie als Gruppe auf und waren auch als solche klar zu umreißen – die „Antwerp Six“ eben. Aber in ihrer Individualität sind sie so unterschiedlich, wie man es in der Mode sein muss, um unter seinem eigenen Namen erfolgreich zu sein.

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