Text: JOSEPH FURNESS
Übersetzung: SONJA KROLL
Jahrhundertelang waren Röcke für Männer gang und gäbe – bequem, flexibel und angenehm zu tragen. Doch mit dem Zeitenwechsel zur Moderne entstanden neue Geschlechternormen in der Welt der Mode, und Röcke à la Marvels Thanos verschwanden. Plötzlich waren Röcke nur noch Frauen vorbehalten. Für Männer wurden die Röcke zum Tabu – mal abgesehen von den Schotten, deren traditionelle Kilts die Zeit überdauert haben.
Glücklicherweise kreieren die Designer von heute Röcke für jedermann und einige der bestangezogenen Gentlemen der Welt haben sich des Rocks angenommen, um ihn wieder in den Mainstream zurückzubringen: Harry Styles war im Wales Bonner-Rock auf dem Vogue-Cover zu sehen; Odell Beckham führte einen Faltenrock von Thom Browne zur Met Gala aus; Jaden Smith trug einen Rock für eine Louis Vuitton-Kampagne. Die alten Klischees werden langsam – aber sicher – überholt.
In unserem Q&A unten sprechen wir mit vier inspirierenden Männern, die neue Wege gehen – oder doch alte Wege? – indem sie Röcke in ihren Style integrieren. Entdecken Sie, wie unsere Style-Helden ihre Röcke stylen, wer oder was sie ursprünglich inspiriert hat, warum sie gerne Röcke tragen und vieles mehr.
Fabio Heydorn (@barbiedrugz) (er/ihn)
Model und Kreativschaffender aus Berlin, trägt den Tüll-Overlay-Rock von Maison Margiela
Was kannst du uns über deinen Look sagen?
Ich habe mich für diesen Rock entschieden, weil ich den Stoff liebe. Ich mag, wie er fällt. Außerdem liebe ich die rote Farbe – meine Garderobe ist überwiegend schwarz und ich habe mich selbst herausgefordert, einen Eyecatcher in meinen Style zu integrieren.
Heute habe ich meinen Rock mit einem wunderschönen Button-Down-Hemd kombiniert, um dem Look mehr Volumen zu verleihen. Dazu habe ich das Ensemble mit schweren schwarzen und silbernen Accessoires – unter anderem meine Lieblingstasche und Boots – abgerundet, die mit dem femininen Look brechen.
Von wem ist der Rock?
Dieser Rock ist von Maison Margiela. Ich habe das Pariser Label entdeckt, als ich vor einigen Jahren auf ihre ikonischen Tabi-Boots stieß. Seitdem bin ich von ihren unorthodoxen Designs geradezu besessen.
Was ich an Maison Margiela besonders liebe, ist der Fokus auf farblich abgestimmte, tonale Designs. Durch den Verzicht auf Prints und lebhafte Farbkombinationen hebt das Label die Schnitte und das Design ihrer Pieces hervor.
Wann hast du zum ersten Mal die Entscheidung getroffen, einen Rock anzuziehen?
Um ehrlich zu sein, habe ich mich nie entschieden, keinen Rock zu tragen. Fashion hat für mich nichts mit Geschlechterrollen und sozialen Konventionen zu tun; im Gegenteil, es geht um Freiheit. Die Kleidung, die ich trage, ist kein Kommentar zu meiner Geschlechtsidentität oder meiner sexuellen Orientierung – warum sollte ich mich also einschränken?
Wer oder was hat dich dazu inspiriert, einen Rock zu anzuziehen?
Mich inspiriert jeder, der einfach anzieht, was er will. Eine meiner größten Inspirationen ist Lady Gaga – sie ist mein Vorbild, seit ich 13 Jahre alt war. Gaga sprengt die Grenzen, hat Spaß an Mode und experimentiert immer wieder mit ihrem Styling. Für mich steht sie dafür, sein wahres Ich auszudrücken, keine Angst vor dem Urteil der anderen zu haben oder sich einschränken zu lassen.
Findest du, dass mehr Männer mit Röcken in ihrem Styling experimentieren sollten?
Ja, auf jeden Fall! Ich denke, wenn man als Mann einen Rock trägt, fühlt man sich sowohl geistig als auch körperlich frei. Ich hoffe, dass Rock-tragende Leute wie ich andere dazu inspirieren, Röcke anzuziehen und so das Ende der "toxic masculinity" einleiten.
Unsere Gesellschaft wäre besser, wenn jeder genügend Selbstbewusstsein hätte, das anzuziehen, was sie wirklich wollen; sich auszudrücken macht nicht nur Spaß, sondern das Leben einfach besser.
Louis (@louisrubi)
Designer und Brand-Gründer aus Barcelona, Spanien, trägt einen Layer-Rock von Maison Margiela
Was kannst du uns über deinen Look sagen?
Layering ist der Schlüssel zu meinem Style – ich liebe es, wenn Kleidungsstücke "verschmelzen" und man nicht mehr entdecken kann, wo ein Kleidungsstück endet und das andere beginnt. Dieser Rock ist im Wesentlichen zwei Röcke in einem. Dazu habe ich noch eine Hose darunter kombiniert.
Von wem ist der Rock? Warum gefällt dir die Brand?
Dieser Rock ist von Maison Margiela, einem Label, mit dem ich mich identifizieren kann. Für dieses Piece musste das Pariser Label mit Proportionen spielen und die Normen der zeitgenössischen Mode überdenken.
Was bedeutet das Tragen eines Rocks für deinen Selbstausdruck?
Einen Rock zu tragen steht für meinen Spaß daran, mit Konventionen zu spielen und Geschlechternormen infrage zu stellen.
Wann hast du zum ersten Mal die Entscheidung getroffen, einen Rock anzuziehen?
Meinen ersten Rock habe ich gekauft, als ich nach Tokio gereist bin. In Japan gelten Röcke als traditionelle Kleidungsstücke, die von Menschen jeden Geschlechts getragen werden.
Findest du, dass mehr Männer mit dem Styling von Röcken experimentieren sollten?
Ich finde, dass mehr Männer Röcke tragen sollten, denn Kleidung sollte nicht mit einem bestimmten Geschlecht identifiziert werden. Wenn du dich entscheidest, Pieces anzuziehen, die dich glücklich machen, dann machst du etwas richtig.
Ich fand Röcke schon immer maskulin – die Gesellschaft ist vielleicht nicht daran gewöhnt, dass Männer Röcke tragen, aber ich bin davon überzeugt, dass sie an Männern genauso normal aussehen wie an Frauen.
Falls Sie als Mann Röcke ausprobieren möchten, aber noch ein bisschen davor zurückschrecken, würde ich vorschlagen, erstmal einen Rock über einer Hose anzuziehen.
Wie bereits gesagt, ich liebe Layer und deswegen ziehe ich oft einen Rock über einer Hose an.
Ross (@rossjahunter) (er/ihn)
Kreativer mit Sitz in London, Großbritannien, trägt einen Faltenrock im Kilt-Stil von Polo Ralph Lauren
Was kannst du uns über deinen Look sagen?
Heute trage ich einen verspielten Falten-Minirock mit zwei verschiedenen Karomustern. Mir hat der Rock sofort gefallen, weil ich Schotte bin und das Gefühl hatte, dass das Stoffmuster meine Herkunft repräsentiert. Außerdem gefällt mir die knappe Länge des Rocks, weil ich gerne viel Beinfreiheit habe.
Ich habe den Rock mit einem auffälligen Siebdruck-Shirt und weißen Print-Sleeves von Claire Barrow gestylt. Dazu trage ich ein Paar hohe New Rock-Stiefel aus den 90ern mit einem weißen Flammenmuster. Was für die Normalisierung von Röcken für Männer gilt, gilt genauso für Heels. Zudem habe ich meinen Look mit ein paar Accessoires gestylt – der typischen Sporran-Tasche, die ich hier Crossbody statt traditionell um die Taille trage – und einer Kiltnadel aus Messing.
Von wem ist der Rock?
Mein Rock ist von Polo Ralph Lauren. Obwohl ich diese Brand eigentlich nicht oft trage, wusste ich, dass der Tartan qualitativ super sein würde. Mir gefällt die Idee, ein Piece einer eher klassischen Brand ganz unerwartet und überraschend umzustylen. Ich bin kein typischer Ralph-Lauren-Käufer, aber genau das nutze ich in meinem Styling zu meinem Vorteil.
Wann hast du zum ersten Mal die Entscheidung getroffen, einen Rock anzuziehen?
Ich bin in Schottland aufgewachsen und habe schon als Kind oft Kilts getragen, meistens zu formellen Anlässen. Das hat mich dann auch dazu gebracht, verschiedene Kilts auszuprobieren, die bei uns zu Hause in der Verkleidungskiste lagen und die meine Schwester im Kleiderschrank hatte.
Was bedeutet das Tragen eines Rocks für deinen Selbstausdruck?
Ich bin queer und fühle mich in meiner Haut wirklich wohl. Deshalb verspüre ich selber auch keinen Druck, mich unserer heteronormativen Gesellschaft unterwerfen müssen – irgendwie passe ich sowieso nicht 100% in das Schema der anderen. An manchen Tagen style ich mich femininer, an anderen will ich maskuliner wirken, und manchmal entscheide ich mich eben, weder feminin noch maskulin auszusehen.
Weil ich mir selbst erlaube, alle Facetten und Nischen der Fashion auszuprobieren, kann ich mich genau so auszudrücken, wie ich möchte. Wie gesagt, ich verspüre nicht diesen Druck, den die meisten haben, einer bestimmten Rolle entsprechend auszusehen. Ich möchte gerne beweisen, dass man anziehen kann, was auch immer man möchte.
Wer oder was hat dich dazu inspiriert, einen Rock zu anzuziehen?
Das fing ursprünglich an, als ich begann, mich mit Fashion auseinanderzusetzen. Damals wurde mir klar, dass es für Kleidung nur ein einziges Kriterium gibt: Sie muss passen.
Wie erwähnt, trug ich, wie die meisten Jungen, schon als Kind Kilts. Später habe ich dann die Normen rund um das Tragen von Kilts und Röcken infrage gestellt. Schottische Männer tragen Röcke – Kilts -, weil sie Teil ihrer Tradition und ihres Erbes sind. Aber einen "normalen" Rock würden sie niemals anziehen. Für mich hatte das nie Sinn.
Findest du, dass mehr Männer mit dem Styling von Röcken experimentieren sollten?
Ich bin definitiv der Meinung, dass mehr Männer Röcke tragen sollten. Jeder Mensch sollte sich trauen können, mit verschiedenen Kleidungsstücken zu experimentieren. Manchmal rundet ein Rock einen Look eben viel besser ab als Shorts oder Hosen.
Frauen wird diese kreative Freiheit eingeräumt. Die Gesellschaft akzeptiert, dass sie jedes Piece anziehen können, das ihnen gefällt. Wenn Männer ihre feminine Seite ausdrücken wollen, sollte das nicht als Zeichen von Schwäche wahrgenommen werden. Männer, die Röcke tragen, beweisen meiner Meinung nach Stärke.
Mark Bryan (@markbryan911) (er/ihn)
Robotik-Ingenieur, Model und Influencer aus Crailsheim, trägt einen a Rock mit Monogramm von Balmain
Was kannst du uns über deinen Look sagen?
Heute trage ich einen Logo-Rock mit einem Button-Down-Hemd, einer Krawatte und einem Paar Pumps.
Was hat dich an diesem speziellen Rock gereizt?
Ich liebe die Farben und das Logomuster des Rocks. Außerdem gefällt mir, dass er ein Bleistiftrock ist – ein Schnitt, den ich super gerne trage.
Von wem ist der Rock?
Das Logo sagt es schon – der Rock ist von Balmain. Ich habe schon öfter Balmain-Röcke getragen, hauptsächlich für Mode-Shootings, und die Qualität und die Passform ihrer Röcke haben mich überzeugt.
Was bedeutet das Tragen eines Rocks für deinen Selbstausdruck?
Zuallererst drücke ich mich am liebsten durch meine Heels aus. Kürzlich habe ich aber festgestellt, dass ich genauso gerne auch Röcke trage. Meine Heels passen zu einem Rock einfach besser als zu einer Hose. Sie runden den Look perfekt ab.
Wann hast du zum ersten Mal die Entscheidung getroffen, einen Rock anzuziehen?
Ich wollte eigentlich meine Shorts mit Heels kombinieren, aber das Ergebnis hat mich nicht überzeugt und ich habe sie dann stattdessen mit einem Rock angezogen. Außerdem sind Shorts auch nicht so wirklich officetauglich.
Wer oder was hat dich dazu inspiriert, einen Rock zu anzuziehen?
Meine größte Style-Inspiration ist Meghan Markle in der TV-Serie "Suits" – sie hatte immer Rock und Bluse an, während andere weibliche Charaktere Kleider trugen. Ich habe mir an ihrem Style ein Beispiel genommen und ihn für mich umgesetzt, indem ich eben Röcke und Heels mit maskulinen Oberteilen kombiniert habe.
Findest du, dass mehr Männer mit dem Styling von Röcken experimentieren sollten?
Ja, ich finde, Röcke sind eine sehr bequeme Alternative zu Hosen. Außerdem gibt es sie in einer großen Auswahl an Farben, Drucken und Stoffen.
Ich finde übrigens nicht, dass alle Männer einen Rock tragen sollten. Aber eben alle die, die daran interessiert sind! Mir ist die Message wichtig, dass es keine Schande für Männer ist, einen Rock tragen zu wollen!
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